Ein Rück- und Ausblick zu antikapitalistischen Aktionen gegen die Autoindustrie
München wird den September 2021 nicht mehr vergessen, egal wie eine künftige Internationale Automesse aussehen wird, welches Framing sie sich gibt und wie bürger*innennah sie sich inszeniert. Die Bilder des schwarzen BLOCK-IAA-Banners, das sich aus dem zweiten Stock der Karlstraße 22 entrollt, während im Geschoss darüber dichter, pinker Rauch aus den Fenstern quillt und der Jubel der 500 Menschen in dem No-Future-Finger vor dem Squat, machen eines klar: Der Widerstand gegen solche klimaschädliche Propagandaevents nimmt sich Räume in der Stadt. Während BMW, Mercedes und Co. versuchten sich während der IAA von ihrer grünsten Seite zu zeigen, entlarvten dies mehr als tausend Aktivist*innen auf Münchens Straßen als bloße Maskerade. Der vielfältige Protest brachte vor allem eines zum Ausdruck: Es geht um mehr als um Elektro-Autos oder recycelte Reifenteile. Klimagerechtigkeit kann mit grünem Kapitalismus nicht funktionieren, erst recht nicht in der Automobilbranche.
Das Polizeiaufgebot war immens, das harte Vorgehen der Polizeikräfte verstörend. Ca. 4000 Einsatzkräfte waren angehalten die Proteste der ca. 1000 Aktivist*innen zu „begleiten“. Das ist schlicht unverhältnismäßig. So sollte der (Automobil)-Standort Bayern vor jeglicher Form der Nestbeschmutzung beschützt werden. Trotzdem haben wir Aktivist*innen während der IAA, uns die Stadt am Freitag, den 10. September 2021, zurückgeholt – für ein neues Mobilitätskonzept, für ein Neudenken der Stadt hat No Future mit der Hausbesetzung ins Schwarze getroffen. No Future hat den Finger in die schmerzende Wunde Münchens gelegt: Die ungerechte Verteilung von Raum.
München ist eine der teuersten Städte Europas und die teuerste Großstadt Deutschlands. Im Schnitt zahlen Münchner*innen dieses Jahr 18,5 EUR Miete pro Quadratmeter. München ist extrem reich und damit erheblich an der Klimaerhitzung beteiligt. Gleichzeitig gibt es schlicht keine sicheren Räume in München, die wir selbstorganisiert nutzen können, um Alternativen zu leben. Sinnbildlich dafür steht, dass das Mobilitätswendecamp auf der Theresienwiese erst in letzter Sekunde unter haarsträubenden Auflagen gebilligt wurde, während die komplette Innenstadt mit ihren Ausstellungsflächen, ergänzt von den Show-Angeboten auf dem Messegelände, einem Mega-Massen-Event glich. Das hat uns gezeigt, dass der Raum in München vor allem einer wohlhabenden, Elektro-SUV konsumierenden Mittel- und Oberschicht zugesprochen wird – und natürlich der männerdominierten Autoindustrie, dem deutschen ökonomischen Identifikationsanker.
Wir bewerten die Besetzung der Karlstraße 20 und 22 als vollen Erfolg. Nicht nur weil wir damit die öffentlich Debatte um ein ökologisches, klimagerechtes und feministisches Stadtkonzept voran gebracht haben, sondern weil die Münchner Klimabewegung damit einen empowernden Schwung nach Links erlebt hat. Mit dieser Aktion haben wir Bewegungen aus verschiedenen kapitalismuskritischen Strömungen zusammengebracht, um gemeinsam eine Statement für wahre Open Spaces in München zu setzen. Open Spaces, die frei von Konsumzwang und der Reproduktion patriarchaler, rassistischer und kapitalistischer Werte sind.
Die Karlstraße 20 und 22 gehören dem Staat Bayern. Sie stehen nach wie vor leer, auch ein gutes halbes Jahr nach der Besetzung. Unsere Forderung an den Freistaat Bayern bleibt bestehen: Wir fordern diesen ungenutzten Raum ein, für die Errichtung eines wahren Open Spaces. Für eine lebenswerte, klimafreundliche Zukunft. Im Kampf für diese Zukunft wird No Future weiter bestehen. Die kapitalismuskritische Klimagerechtigkeitsbewegung wird es weder dem bayrischen Staat noch der Stadt München oder der Autoindustrie leicht machen. Wir – das Bündnis No Future – wird es ihnen nicht leicht machen. Wir sind noch da und werden bleiben. Die nächste IAA Mobility kann mit uns rechnen.