Kurzaufruf

No Future for IAA – No Future for ca(r)pitalism

Millionen von Schüler*innen streiken weltweit für ihre Zukunft. Die Veranstalter*innen der Internationalen Automobilausstellung (IAA), die vom 7.-12. September 2021 in München stattfinden soll, treten diesen Protest mit Füßen.

Diese IAA ist mehr als nur irgendeine Automesse, wo der staunenden Öffentlichkeit die neuesten Meisterleistungen der Ingenieurskunst präsentiert werden. Sie ist vielmehr ein Greenwashing-Promo-Event der Automobilindustrie, das Ausbeutung und Naturzerstörung zur Erfolgsgeschichte verklärt und das Märchen einer klimaneutralen digitalisierten und elektrifizierten Mobilität in die Welt trägt. Mit der IAA sollen profitversprechende Datensammelmaschinen als innovative Technologien geframed und Politiker*innen und Gewerkschaften mit dem Versprechen von Wirtschaftswachstum und dem Erhalt von Arbeitsplätzen auf Linie gebracht werden.

Sie verkörpert das Herzstück des deutschen Kapitalismus, sie steht für eine beispiellose Verbindung von Nationalismus, Sexismus und Profitzwang. Die IAA bedeutet: No Future.

 

Unsere Zukunft – unsere Stadt

So wie sich der Klimakampf nicht im Wohlergehen des einzelnen Eisbären erschöpft, geht es bei der Verkehrswende nicht um mehr oder tollere Elektro-Autos. Es geht vielmehr um ein neues Konzept von Mobilität, ein neues Konzept von Stadt, ein Neudenken des Raums.

Es geht darum, dass marginalisierte Gruppen nicht mehr in Randbezirke oder von Lärm und Feinstaub belastete Gebiete gedrängt werden und darum, dass Menschen mit Behinderung sich frei in ihrer Stadt bewegen können. Es geht darum, dass der Weg zur nächsten Kita näher wird als zu der Parklücke, in der dein Auto steht. Es geht um die Lebensqualität der Menschen, die mehrere Jobs haben, sich um Familie und die Organisierung eines Haushalts kümmern und die in den Planungen zur Verkehrsinfrastruktur – die sich stark daran ausrichtet, dass Menschen täglich mit ihren Autos zu ihren Arbeitsstätten pendeln können – kaum vorkommen. Es geht um nicht weniger als um den Aufbau einer Urbanität, in der das Männlichkeitssymbol „Auto“ keine Rolle mehr spielt.

Kratzer im Lack: Unter dem grünen Anstrich der Autoindustrie

Die IAA will einen großen Teil der Münchner Stadtflächen mit ihren Promo-Mobilen in Beschlag nehmen. Damit wird der Autoindustrie noch mehr Raum eingeräumt als sie ohnehin schon tagtäglich hat. Wie bei anderen Großevents in der Vergangenheit werden im Vorfeld der IAA Wohnungslose und Bettelnde noch stärker aus dem Stadtbild verdrängt werden. Diese Anmaßung wird nicht weniger ekelhaft, wenn wir unter den glänzenden Anstrich schauen, den sich diese Industrie verpasst hat.

Denn darunter bleibt es schmutzig: Statt wie ehemals Öl und Stahl, werden jetzt eben Seltene Erden, Lithium und Koltan unter unmenschlichen Bedingungen geschürft, was mit erheblichen Umweltschäden einhergeht. Der Staat sichert dieses Modell ab: Die Autofabriken werden trotz riesiger Gewinne mit gigantischen Subventionen, wie der Abwrackprämie und Technologieförderung, unterstützt. Die Produktion läuft ungebremst, selbst wenn der Pflege- und Gesundheitssektor pandemiebedingt zusammenbricht. Die Prioritäten liegen deutlich bei den männerdominierten profitableren Industrien und weniger in den überwiegend von weiblich sozialisierten Menschen besetzten Pflegeberufen.

Auch die vermeintlich grünen Zukunftsvisionen der Industrie sind erschreckend. Was als digitale Utopie präsentiert wird, ist eine Dystopie, an der allein das Kapital seine Freude haben kann. Die digitale Kontrolle der Mobilität und des öffentlichen Raums nimmt stetig zu und Überwachung durchdringt allmählich sämtliche Lebensbereiche. Technologien, die eigentlich unser Leben erleichtern sollten, erhöhen den Druck auf Arbeiter*innen, verdichten und kontrollieren zunehmend Arbeitsprozesse und begünstigen Ausbeutung und Unterdrückung.

Ohnehin sind die Erfolgsgeschichten der Autoindustrie mit Vorsicht zu genießen. So verbirgt sich hinter der Heldensage vom deutschen Innovationsgeist und Fleiß eine hässliche Vergangenheit, die Unternehmen wie BMW, Volkswagen und mehrere Zuliefererbetriebe wie Schaeffler und Brose erst zu ihrer heutigen Größe verholfen hat. Bis heute werden diese Konzerne von Familien gelenkt, die im Nationalsozialismus KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter*innen ausgebeutet haben und trotz allem zur führenden Wirtschaftselite der Nachkriegszeit aufsteigen konnten. Das die IAA in den 30er-Jahren als nationalsozialistische Propagandashow diente, passt hierbei nur allzu gut ins Bild.

Stadt für alle – alles für alle: die IAA zum Desaster machen

Wir werden nicht dulden, dass sich die IAA in unserer Stadt breit macht. Die Stadt gehört uns allen. Unsere Stadt braucht ein ökologisches, klimagerechtes und feministisches Stadtkonzept, um sowas wie Zukunft wieder vorstellbar zu machen. Es braucht Platz für Fahrräder und Lastenräder, für Kinderwägen, Rollatoren und Rollstühle. Unsere Stadt braucht kurze und unkomplizierte Wege für Care-Arbeiten, in denen sich alle Menschen barrierefrei bewegen können. Dafür braucht es einen Bruch mit den patriarchal-kapitalistischen Verhältnissen und eine basisdemokratische Aneignung von Raum, Produktion und Technologie, damit diese nicht an Profit, sondern an der Befriedigung unserer Bedürfnisse ausgerichtet wird. Gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass der Kapitalismus im eklatanten Widerspruch zu einer Gesellschaft steht, in der Fürsorge, Solidarität und Nachhaltigkeit oberste Priorität haben. Schaffen wir ihn ab! Sorgen wir im September gemeinsam dafür, dass Staat und Autoindustrie mit der Neuauflage ihres Geschäftsmodells an die Wand fahren! No future for IAA! No future for ca(r)pitalism!